sela. DER BLOG

Der Blog des Gebetsmagazins sela. greift Fragen auf, die rund um das Thema Gebet aufkommen.

Gebet für Kranke – wie geht das? (Teil 1)

Unsere Kirchengemeinde bietet jeden Sonntag nach dem Gottesdienst Gebet- und Segnung an. Hier beten wir für die unterschiedlichsten Anliegen. Jedes Mal stehen idealerweise zwei Beterinnen bzw. Beter zur Verfügung. Weil wir ein ausreichend großes Team haben, wechselt sich die Besetzung oft ab.

Immer wieder ist auch das Gebet für Kranke gefragt. Im Team überlegen wir uns deshalb, wie wir das handhaben wollen. Hier meine persönlichen Gedanken dazu.

Diese Artikelserie enthält eine Reihe von ausführlichen Vorüberlegungen. Im letzten Beitrag habe ich zusammengestellt, wie ich konkret für Kranke beten möchte.

Gebet für Kranke oder Gebet um Heilung?

Zunächst finde ich wichtig, sich klarzumachen, wie wir unser Gebetsangebot nennen, denn in der Bezeichnung drückt sich manchmal auch schon eine Haltung aus. Beten wir für Kranke oder um Heilung? Natürlich gehört beides zusammen. Aber der Akzent liegt jeweils woanders. Sage ich, dass ich für Kranke bete, dann ist die Person im Fokus. Spreche ich vom Gebet um Heilung, geht es zunächst um ein erhofftes Ergebnis. Mir scheint wichtig, nicht einseitig nur einen Aspekt zu betonen.

  • Wir beten für Kranke und hoffen dabei, dass etwas passiert, dass das Gebet nicht wirkungslos bleibt – dass also durchaus irgendwann ein Ergebnis da ist. Heilung als Ziel sollte nicht aus dem Blick kommen.
  • Aber wenn es dauernd und nur um Heilung geht, dann besteht die Gefahr, dass die Personen zu sehr in den Hintergrund geraten. Die Menschen, die uns um Gebet bitten, haben ihre Geschichte, sie sind nicht austauschbar und es sind keine „Fälle“.

Wir sollten den ganzen Menschen im Blick behalten und nicht nur darauf achten, was nach dem Gebet passiert: krank oder gesund?

Wer betet? Ein neutestamentliches Koordinatensystem

Für Kranke um Heilung zu beten, ist nach der Bibel beides, ein Vorrecht und ein Auftrag. Im Neuen Testament hat dieser Auftrag verschiedene Gestalten. Und er gilt zum Teil Glaubenden in speziellen Rollen. Hier eine Übersicht:

  • Beauftragt werden die zwölf bzw. die 72 Jünger (Lk 9,1-2; 10,9). Im Markusevangelium wird vermerkt, dass die Jünger dies u.a. durch Krankensalbung umsetzen (Mk 6,13). All das passiert vor Ostern und Pfingsten, aber die Jünger sind zugleich Prototyp der Gemeinde.
  • Im Zusammenhang mit dem Missionsbefehl werden die Jünger ermächtigt, Kranken die Hände aufzulegen (Mk 16,18). Dies ist Bestandteil der „mitfolgenden Zeichen“. Diese Zeichen „werden denen folgen, die glauben“ (V. 17), es sind also nicht spezielle Missionare gemeint. Allerdings sind die Glaubenden, die hier genannt werden, allesamt Gesandte. Glauben und gesandt sein kann man nicht trennen. Gebet für Kranke kann also als Bestandteil des größeren Auftrags, das Evangelium zu verbreiten, gelten.
  • Nach Pfingsten ist Krankenheilung ein Bestandteil des ganz normalen Gemeindelebens (Apg 2,43; 5,12.16).
  • In der Gemeinde Jesu wirken die besonderen „Gnadengaben der Heilungen“ (1Kor 12,9), die Einzelnen gegeben sind.
  • Gemeindeälteste sind berufen, auf Anfrage hin für Kranke zu beten und sie mit Öl zu salben (Jak 5,14-18).
  • Darüber hinaus sind allgemein für das glaubensvolle Gebet (ohne dass speziell Kranke oder Heilung erwähnt werden) starke Verheißungen in Kraft gesetzt (Mt 21,22; Joh 15,7; 1Joh 5,14-15 u.ö.).

Aus dieser Übersicht wird deutlich: Gebet für Kranke ist breit im Neuen Testament verankert. Wir haben allen Anlass, es zu praktizieren. Die Bibel gibt uns Rückenwind und setzt die Signale auf grün – wir dürfen also Mut haben. Einige Einzelheiten sind aber nicht allgemein gültig, sondern wir müssen unterscheiden, wem etwas zugesprochen ist. Das Charisma der Krankenheilung haben nicht alle, und nicht jede/r ist Gemeindeälteste/r. Mitfolgende Zeichen sind offenbar vorwiegend dem Missionskontext zugeordnet und denen verheißen, die dem Evangeliums-Auftrag von Jesus folgen. Andererseits ist Krankensalbung offenbar nicht nur den Ältesten vorbehalten, sondern allen Jüngern möglich (Mk 6).

Ich persönlich habe den Dienst der Krankensalbung gern angeboten, als ich Pastor und damit Gemeindeältester war. Die Gnadengabe der Krankenheilung habe ich nicht. Wenn ich für Kranke bete, verstehe ich mich als ein Jünger Jesu, wie die Zwölf oder 72, als Bestandteil der Gemeinde wie in Apostelgeschichte 2 und 5 und als jemand, der von Jesus zum glaubensvollen Gebet aufgerufen ist. Dies ist die Art und Weise, wie ich mich momentan in das neutestamentliche Koordinatensystem einzeichne.

Was erwarten wir vom Gebet? Noch ein Koordinatensystem

Mit welchem Ziel beten wir für Kranke? Was heißt „Heilung“ im Einzelfall? Auch hier zeigt das Neue Testament ein gewisses Spektrum.

  • Die Grund-Erfahrung ist die Heilung der Kranken. So war es bei Jesus und in der Urgemeinde und dies ist auch das Ziel in Jakobus 5,16. Heilung heißt demnach: Die Krankheit ist vorbei.
  • Krankensalbung kann den Kranken „retten“ (Jak 5,15a). Das ist ein umfassender Begriff als nur körperliche Heilung. Im Zusammenhang ist von Sündenbekenntnis und Sündenvergebung die Rede.
  • Der Kranke wird „aufgerichtet“ (Jak 5,15). Hier kann man auch an innere Aufrichtung wie z. B. Ermutigung denken.
  • Kranken wird es „gut gehen“ bzw. sie werden sich „wohl befinden“ (Mk 16,18). Das ist im Neuen Testament ein anderer Ausdruck als für „geheilt werden“. Zwar übersetzen viele Bibeln auch hier mit „geheilt werden“, aber wir sollten ernst nehmen, dass das Wort im Grundtext offener formuliert ist.

Wir können uns das Ziel unseres Gebets also folgendermaßen vorstellen:

Heilung ist das Basis-Ziel, auf dieser Spitze steht das Dreieck. Heilung ist das, was Jesus praktiziert hat (daher die dunkler ausgefüllte Fläche im Diagramm). Doch wir sollten die Aspekte „aufgerichtet werden“ und „wohl befinden“ nicht aus dem Blick verlieren. Sie können ein Teil der Heilung sein, sie können aber auch umfassender als körperliche Heilung sein. Wenn wir uns fragen, ob oder wann ein Gebet erhört ist, sollten wir das ganze Dreieck im Fokus haben.

Die MS-kranke Pastorin Andrea Schneider hat für sich die Formulierung gefunden: „Ich bin im Kern gesund“. Sie definiert unser umgangssprachliches Wort „kerngesund“ damit neu. Die Krankheit ist nach wie vor Teil ihres Lebens, aber ihr Wesenskern ist davon nicht beeinträchtigt. So könnte es z. B. aussehen, wenn ein kranker Mensch im Sinne von Jakobus 5,16 aufgerichtet ist.

Dr. Ulrich Wendel

Redakteur von Faszination Bibel und von sela. Das Gebetsmagazin.

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