sela. DER BLOG

Der Blog des Gebetsmagazins sela. greift Fragen auf, die rund um das Thema Gebet aufkommen.

Wenn beten langweilt (III)

Wenn wir gelangweilt sind, gehen die Gedanken auf die Reise. Wer kennt nicht die klassische Situation in der Schule? Von vorn ist ein Monolog zu hören, man schaut gelangweilt aus dem Fenster und ist in Gedanken weit weit weg …

Natürlich passiert so etwas auch beim Beten. Die allermeisten von uns wären unehrlich, wenn sie das nicht zugeben würden. Nun gilt Ablenkung beim Beten nicht gerade als Tugend. Was machen wir, wenn wir mit Gott reden, auf ihn zu hören versuchen – und die Gedanken schweifen?

Verschiedene Reaktionsmöglichkeiten

Möglichkeit 1: Wir verbieten es uns, wir zwingen uns zurück. Aber wenn die Ausgangsbedingungen immer noch dieselben sind, dann wird schnell neue Langeweile entstehen.

Möglichkeit 2: Wir lassen es zu und geben unsere Gedanken frei. Auch hier gibt es dann mehrere Varianten.

a) Wir bekommen ein schlechtes Gewissen. Und das ist meist kein guter Nährboden fürs Gebet.

b) Wir lassen alles laufen und haben den Gebetsfaden bald verloren.

c) Wir können die Ablenkung als Potenzial nutzen, das uns wieder ins Gebet zurückführt.

Die Chance der Ablenkung

Auf diese Möglichkeit machen die Autoren Kyle Strobel und John Coe aufmerksam. Die Chance der Ablenkung liegt darin, dass sie uns zwei Signale sendet.

  • Das schlechte Gewissen wäre ein Signal dafür, dass wir das Gebet missverstanden haben, nämlich als Aufgabe, die wir ordnungsgemäß durchführen müssen. „Wenn das Gebet zu einer Art Leistung wird, liegt es nahe, Erfahrungen wie das Umherschweifen unserer Gedanken als Versagen zu deuten“, sagen Strobel und Coe. Aber Gebet will ja eben keine Leistung sein.
  • Das zweite Signal der Ablenkung zeigt uns an: Eigentlich möchten wir jetzt vielleicht gern woanders sein oder etwas anderes tun. „Viele klagen über ‚Ablenkung‘ während des Gebets. Ihre Gedanken schweifen zu anderen Dingen ab. Das liegt fast immer daran, dass man für etwas betet, das man eigentlich gar nicht will; man denkt nur, es wäre angemessen und ehrenwert und ‚religiös‘, es zu wollen“ – so der katholische Priester Herbert McCabe.

Die Gedanken schweifen zu anderen Dingen ab. Das liegt fast immer daran, dass man für etwas betet, das man eigentlich gar nicht will.

Herbert McCabe

Mit Gott darüber reden, was in uns ist

Diese beiden Signale gilt es zu hören. Wenn Jesus sagt, dass unser Herz dort ist, wo unser Schatz ist (Matthäus 6,21), dann ist in diesem Moment eben etwas Bestimmtes für uns erstrebenswert – das, wohin unsere Gedanken wandern. Genau dies ist der Ansatzpunkt, um wieder ins Gebet zurückzukehren. Strobel und Coe dazu:

„Anstatt einen schweifenden Geist als Versagen zu betrachten, sollten wir eine Gelegenheit erkennen, über die tiefen Sehnsüchte unserer Seele zu beten. Wir sind versucht, das Gegenteil zu tun: Wir hören auf zu beten und fangen an, uns selbst zu kasteien, weil wir uns nicht konzentrieren können oder nicht auf die ‚richtige‘ Weise beten. In diesen Momenten unterbrechen wir unser Gespräch mit Gott, weil wir glauben, dass dies nicht die Themen sind, über die Gott mit uns sprechen möchte. Es sind unsere Probleme. Sie spiegeln unsere abschweifenden Gedanken und Herzen, die sich Idolen, Sorgen und denen, die wir lieben, zuwenden. Wenn diese Gedanken auftauchen, hilft es, zu beten: ‚Vater, sieh dir das an. Sieh dir an, was mein Herz in deiner Gegenwart tut. Herr, tief in meinem Herzen sehne ich mich danach, um meine Ängste und Befürchtungen in den Griff zu bekommen und zur Ruhe zu bringen. Herr, hilf mir, dir in diesen Dingen zu vertrauen.‘“

„Vater, sieh dir das an. Sieh dir an, was mein Herz in deiner Gegenwart tut. Herr, tief in meinem Herzen sehne ich mich danach, um meine Ängste und Befürchtungen in den Griff zu bekommen und zur Ruhe zu bringen.“

Kyle Strobel / John Coe

Der springende Punkt ist: Wir sollten unsere Gedanken weniger darauf richten, wie wir jetzt doch noch ein passables Gebet hinbekommen – also weniger auf die „Technik“ des Betens. Wir sollten stattdessen gleich ins Gespräch mit Gott einsteigen, und zwar genau über das, wohin unsere Gedanken gewandert sind.

C.S. Lewis (1898–1963) hat es ganz knapp so gesagt: „Wir müssen vor Gott bringen, was in uns ist, nicht, was in uns sein sollte.“

Wir müssen vor Gott bringen, was in uns ist, nicht, was in uns sein sollte.

C.S. Lewis

(Die Gedanken von Strobel und Coe finden sich hier: Kyle Strobel and John Coe, Where Prayer Becomes Real, Baker Books, a division of Baker Publishing Group, © 2021. Der Blogpost bezieht sich auf den Artikel im Portal Christianity Today: https://www.christianitytoday.com/ct/2021/may-june/where-prayer-becomes-real-kyle-strobel-john-coe-distraction.html)

Mehr zum Thema „Langeweile im Gebet“: https://www.sela-magazin.net/stichwort/langeweile/

Dr. Ulrich Wendel

Redakteur von Faszination Bibel und von sela. Das Gebetsmagazin