sela. Der Blog

Der Blog des Gebetsmagazins sela. greift Fragen auf, die rund um das Thema Gebet aufkommen.

Durchbetet

Neulich bin ich auf die Formulierung gestoßen, dass etwas „durchbetet“ werden kann. Und mir wurde klar: Für eine Sache zu beten ist etwas anderes als eine Sache zu durchbeten. Ich bete für viele Dinge, aber es sind nur wenige Dinge, die ich durchbete.

Die Formulierung fand ich in einem Zitat des Autors Eugene Peterson: „Im langfristigen Rückblick über die Jahrhunderte des Judentums und Christentums ist es keine Übertreibung zu sagen, dass sich alles, was wir von Gott erfahren, das nicht ‚durchbetet‘ wird, zum Schlechten wendet.“ (aus: Wer den Himmel sucht, muss die Erde lieben. Gießen 2002, 252)

Alles, was wir von Gott erfahren, das nicht durchbetet wird, wendet sich zum Schlechten.

Eugene Peterson

Egal ob Peterson mit dieser zugespitzten These recht hat (ich kann mir vorstellen, dass er recht hat): Die Redeweise vom „Durchbeten“ fordert mich heraus. Sie rührt auch an eine Art Sehnsucht, zu intensiveren Formen des Gebets zu finden.

Was ist das Besondere daran, wenn eine Sache durchbetet wird?

Zwiegespräch statt Einbahnstraße

Bete ich für etwas, dann ist das oft punktuell. Oder ich bete wiederholt dafür, dann aber oft immer wieder dasselbe: Ich bete oft punktuell. Mein Gebet hat eine bestimmte Erwartung, eine bestimmte Vorstellung davon, was Gott doch tun möge. Das Gebet für eine Sache gleicht ein bisschen einer Einbahnstraße: Anliegen → ich → Gebet → Gott.

Unter „Durchbeten“ stelle ich mir vor, dass es einige Zeit erfordert. Ich spreche etwas mit Gott durch. Möglicherweise steht am Anfang auch eine bestimmte Erwartung, aber die kann sich im Gespräch mit Gott umformen. Das Gebet hat dialogischen Charakter, es ist ein Zwiegespräch. Ich gewinne vielleicht eine andere Sicht auf die Sache oder ein anderes Verhältnis dazu. Oder – auch das kann vorkommen: Gott gewinnt eine andere „Sicht“ auf die Sache, er zeigt sich bereit, etwas Bestimmtes zu tun, das er vorher so nicht vorhatte. (Diese Einwirkung auf Gott ist uns in der Bibel mehrfach bezeugt. Ein Beispiel ist das Gebet des kranken Hiskia in Jesaja 38.)

Ich gewinne eine andere Sicht auf die Sache oder ein anderes Verhältnis dazu.

Klärung in der Kammer

In dem Roman „Die Missionarin“ von Sibylle Knauss gibt es eine Szene, wo ein Pfarrer – Direktor einer Missionsanstalt – die Berufung der Anwärterinnen frühmorgens um vier auf Knien mit Gott bespricht. Er ringt mit den Plänen und Entscheidungen und ist nach langem Gebet dann zur Klarheit hindurchgedrungen. Die Figur dieses Pfarrers ist in dem Roman kein Sympathieträger. (Sein Gesprächspartner, Gott, wird auch nicht allzu sympathisch geschildert. Außer im letzten Satz des Romans.) Die Szenerie der einsamen Entscheidung über Lebenswege von Menschen wird anschaulich, aber auch mit kritischer Distanz erzählt. Und doch hat mich diese Passage beim Lesen angerührt. Solche Zwiegespräche mit Gott, an deren Ende man geklärter aus der Kammer gehen kann, möchte ich auch gern erleben.

Zwei Erlebnisse

Vor wenigen Tagen habe ich als Gastprediger in einer Gemeinde gesprochen. Ich war zuvor mit der Predigt nicht „rund“ und hatte keine richtige Zuversicht. Warum? Es war eine Predigt, die ich zuvor für einen ganz ähnlichen Kontext, aber für eine andere Zuhörerschaft entworfen hatte. Als ich sie ein paar Tage vor dem betreffenden Sonntag durchging, merkte ich: Sie passt vielleicht nicht richtig zu denen, die sie jetzt hören sollen. Sie ist etwas zu abstrakt, sie setzt ein bisschen zu viel voraus. Zeit für eine Überarbeitung hatte ich aber auch nicht. Also hielt ich diese vorbereitete Predigt. Ich habe viel für sie gebetet und auch für die Gemeinde, zu der ich sprach. Aber diese Predigt war nicht durchbetet. Und den Unterschied nahm ich wahr. Zum Beispiel an meiner verminderten Zuversicht.

Es war nicht durchbetet. Und den Unterschied nahm ich wahr. Zum Beispiel an meiner verminderten Zuversicht.

Anderes Beispiel: In meinem Urlaub überlegte ich, ob ich vorschlagen sollte, nächstes Jahr eine Wochenendveranstaltung anzubieten. Das war in diesem Jahr doch auch ganz nett gewesen. Ich könnte mich also wieder ins Gespräch bringen. Die Frage nahm ich mit in eine Gebetszeit (die war gar nicht besonders lang), und am Ende war mir klar: Halt die Füße still. Vielleicht sollst du verfügbar sein für andere Anfragen. Wirf deinen Hut nicht in den Ring. Ich habe diese Frage durchbetet, habe Klarheit gewonnen und bin jetzt erst mal „rund“ mit meiner Entscheidung.

Vorwärts und rückwärts

Eine Sache durchbeten, das geht am besten im Vorhinein. Dann bin ich vorbereitet. Man kann etwas aber auch später noch, nachträglich, durchbeten. So habe ich es mit der erwähnten Predigt gemacht. Sie ist dadurch nicht besser geworden. Aber mir wurde klarer, was nicht so ganz gestimmt hatte und was ich in Zukunft daraus folgern möchte. Etwas durchbeten kann man also vorwärts und rückwärts.

Mit der Entdeckung, etwas durchzubeten, habe ich eine Gebetsform gefunden, die von dialogischer Art ist, die zu mir passt, in der Gott zu mir reden kann und ich ihn verstehen kann. Egal was es noch für Möglichkeiten gibt, um auf Gott zu hören, und egal, ob es anderen scheinbar besser gelingt, sich von Gott führen zu lassen: Was mich betrifft, werde ich auf diese Form immer wieder zurückkommen.

Dr. Ulrich Wendel

Redakteur von Faszination Bibel und von sela. Das Gebetsmagazin.

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