Ich habe in der letzten Zeit eine Art zu beten neu entdeckt, die mich sehr berührt. Sie verändert meinen Blick auf andere und bringt mich zu größerer Wertschätzung. Ich spüre dabei ihre Heilungskraft. Worum geht es?
Fürbitte, wichtig und bewährt
Wenn wir an andere Menschen denken und im Blick auf sie beten, dann hat das oft nur eine einzige, bestimmte Gebetsform: die Fürbitte. Wir möchten, dass die Person, die uns vor Augen steht, gesegnet wird. Wie benennen vor Gott, was jemand braucht, und bitten Gott darum, dass er schenkt und handelt.
Die Praxis der Fürbitte ist tief in der Bibel verankert und auf ihr ruhen große Verheißungen. Allerdings hat sie eine besondere Ausrichtung: Sie kommt vom Defizit her und wendet sich an Gott, damit er dieses Defizit füllt.
Wir sollten neben der Fürbitte eine weitere Art wiederentdecken, im Blick auf einen Menschen zu beten, nämlich: Gott über jemanden zu preisen.
Gott über einen Menschen preisen
Die Benennung dieser Gebetsart knüpft an das an, was Paulus in Galater 1,24 sagt. Er berichtet, dass Christen in Jerusalem „Gott über ihm priesen“, als sie hörten, wie Gott in sein Leben eingegriffen und es verändert hatte.
Wenn ich Gott über einem Menschen preise, nehme ich in den Blick, was für Segen Gott in sein Leben gelegt hat. Ich danke für Veranlagung, Charakterzüge, Begabungen, Führungen, Bewahrungen, Chancen, Einfluss und Auswirkungen. Ich lobe Gott für das, was dieser Mensch von ihm erkannt hat und begonnen hat, in seinem Leben widerzuspiegeln. Vielleicht gab es Krisen, aus denen Gott geholfen hat; vielleicht gab es Abwege, aus denen dieser Mensch zurückgefunden hat.
Gott über jemandem preisen bedeutet nicht, diesen Menschen zu idealisieren und alle Schwächen schönzureden. Es gibt bei jedem Menschen genug, was man für ihn erbitten kann. Nur ist das bei dieser Gebetsart gerade mal nicht im Fokus.
Und genau darin liegt die Stärke dieser Art zu beten: Sie geht vom Haben aus, nicht vom Soll. Sie schaut auf das, was ist, und nicht auf das, was fehlt.
Diese Art zu beten schaut auf das, was ist, und nicht auf das, was fehlt.
Herkunft und Zukunft
Wer so über jemandem betet, wird schnell zwei Ebenen entdecken: zum einen das, was Gott in diese Person schöpfungsmäßig hineingelegt hat. Das fängt bei Charakter, Begabungen und dem „Erbe der Herkunft“ an. Zum anderen wird zur Sprache kommen, was Gott im Leben dieser Person getan hat oder im Begriff ist zu tun. Hier ist nicht das gemeint, was jemand aus sich machen konnte, sondern das, was Gott aus ihm gemacht hat. Diese beiden genannten Ebenen berühren die zwei Arten, wie Gott allgemein wirkt: als Schöpfer und als Erlöser bzw. Neuschöpfer.
Veränderter Blick
Nach meiner Erfahrung ist diese Gebetsart segensreich, weil sie löst und befreit. Mein Blick auf diese Person verändert sich. Ihr Wert bekommt stärkeres Gewicht. Im Alltag geht es ja oft um vordergründige Aufgaben, um manches, an dem man sich reibt, um die Rolle, die jemand im Beziehungsgefüge ausfüllt oder ausfüllen soll. Wenn ich Gott über diesem Menschen preise, wird der Blick demgegenüber weiter. Ich trete ein paar Schritte zurück und erkenne, was diese Person auch noch ausmacht, abgesehen von ihrer Rolle. In mir wächst die Wertschätzung, selbst für jemanden, der mir vielleicht in den letzten Jahren vorwiegend Mühe gemacht hat. Indem ich Gott über jemandem preise, ehre ich Gott – und würdige zugleich diesen Menschen. Darin liegt heilsame Veränderungskraft auch für mich selbst. Gott, der andere Mensch und ich selbst – eine dreifache Segensrichtung dieser Art zu beten!
Indem ich Gott über jemandem preise, ehre ich Gott – und würdige zugleich diesen Menschen.
Ich sehe ein Potenzial darin, diese Gebetsart (wieder-)zuentdecken, auszuprobieren und einzuüben.