Vor allem anderen fordere ich euch auf, für alle Menschen zu beten. Bittet bei Gott für sie und dankt ihm. So sollt ihr für die Herrschenden und andere Menschen in führender Stellung beten, damit wir in Ruhe und Frieden so leben können, wie es Gott gefällt und anständig ist.
(1. Timotheus 2,1-2; Neues Leben Übersetzung)
„Da kann man nur noch beten“ hören wir oft. Die Botschaft ist klar: Die Sache ist verloren, man kann nichts mehr tun. Gebet ist dabei nicht mehr als eine vornehme Umschreibung von Resignation. Schade. Sehr schade. Denn Gebet hat Kraft, Beter bewegen den Arm Gottes. Und dieser kann „die Herzen der Menschen lenken wie Wasserbäche“ (nach Sprüche 21,1).
So ist es nicht überraschend, dass Paulus zum Gebet aufruft. Für alle Menschen, Fremde und Freunde, Nahe und Ferne. Und besonders für alle diejenigen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Sie müssen täglich weitreichende Entscheidungen treffen. Sie müssen Für und Wider abwägen und Kompromisse schließen. Niemand kann es allen recht machen. In einer Zeit, die geprägt ist von angry politics, wie es im Englischen heißt (Stichwort „Wutbürger“), und in der Verunglimpfungen an der Tagesordnung sind, sollten Christen für Politiker aller Parteien beten, sie segnen, und ihnen wohlwollend begegnen. Aus dem Gebet kann eine Kultur der Wertschätzung erwachsen, die unser Land dringend nötig hat.
Mit Begeisterung nehme ich wahr, dass viele Christen landauf, landab diesen Auftrag zum Gebet sehr ernst nehmen. Da sind Kreise, die mit der Evangelischen Allianz Deutschland verbunden sind – wie die monatliche Runde von Ruheständlern in Bremen, die regelmäßig in unserem Büro nach Gebetsanliegen fragen. Da ist die Lobpreisband einer Heilsarmee-Gemeinde in Berlin, die vor dem Wahltag einen Gebetsabend initiiert. Da sind überkonfessionelle Initiativen wie die Gebetshäuser, die an vielen Orten in Deutschland entstehen. Da sind Gemeindegebetskreise oder auch einzelne, die treu für die Regierung beten.
Politiker sind positiv berührt
Wie sehr es Politiker berühren kann, wenn man für sie betet, habe ich bei verschiedenen Gelegenheiten erlebt. Kurz nachdem ich zum Pastor der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde Gera berufen worden war, besuchten der Gemeindeleiter und ich unseren Landtagsabgeordneten. Er fragte sofort, warum wir gekommen seien. „Um Sie kennen zu lernen und um für Sie zu beten.“ Das konnte er fast nicht glauben. Wir müssten doch noch ein weiteres Anliegen haben: eine Beschwerde, oder eine Nachfrage wegen Fördermitteln für die Gemeinde oder etwas Ähnliches. Dass Bürger ihn besuchen, nur um für ihn zu beten, das hatte er noch nie erlebt. Aber er bedankte sich, nannte einige Anliegen – und wir beteten an Ort und Stelle. Aus diesem ersten Besuch ist ein freundschaftlicher Kontakt entstanden, der bis zum Ende seiner politischen Laufbahn erhalten blieb.
Natürlich ist nicht jeder Abgeordnete offen dafür, dass man direkt mit ihm betet. Das ist sein gutes Recht. Denn es darf nicht sein, dass man Menschen mit dem eigenen Glauben quasi „überfällt“. So eine Gelegenheit muss sich ergeben, man muss sie erspüren. Aber ich habe selten erlebt, dass ein Politiker (und übrigens auch kein anderer Mensch) komisch reagiert hat, wenn ich ihm am Ende einer Begegnung Gottes Segen gewünscht oder ihm zugesagt habe, für ihn zu beten. „Ich bin zwar Atheist“, antwortete einmal einer mit einem Schmunzeln, „aber schaden kann es sicher nicht.“
Ich habe selten erlebt, dass ein Politiker komisch reagiert hat, wenn ich ihm Gottes Segen gewünscht oder ihm zugesagt habe, für ihn zu beten.
Uwe Heimowski
Gebetsfrühstück im Bundestag
Im Bundestag gibt es eine bemerkenswerte Gebetsinitiative. An jedem Freitag einer Sitzungswoche findet das Gebetsfrühstück statt. Organisiert wird es von der Stiftung für Grundwerte und Völkerverständigung. Die Einladungen aber sprechen Abgeordnete für andere Abgeordnete aus. Über Parteigrenzen hinweg. Die Teilnehmer stammen aus allen Fraktionen. Sie lesen die Tageslosung der Herrnhuter Brüdergemeine, tauschen sich darüber aus und beten miteinander. Eine geistliche Oase. Mitten im unerbittlichen Bundestagsbetrieb mit seinen politischen Auseinandersetzungen und dem brutalen Tempo, das höchsten Einsatz von den Politikern fordert. Rita Süssmuth, die ehemalige Bundestagpräsidentin, nahm regelmäßig am Gebetsfrühstück teil und schwärmte von dessen Auswirkungen: Man merke am Umgangston in der Debatte, sagte sie, wer von den politischen Kontrahenten morgens beim Gebetsfrühstück gewesen sei.
Man merkt am Umgangston in der Debatte, wer von den politischen Kontrahenten morgens beim Gebetsfrühstück gewesen ist.
Nach Dr. Rita Süssmuth
Schließen möchte ich mit einem Zitat von Bischof Hans von Keler: „Das Gebet ersetzt keine Tat, aber es ist eine Tat, die durch nichts zu ersetzen ist.“
In diesem Sinne: Beten wir. Mit Politikern. Und für Politiker.