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Gebet für Kranke – wie geht das? (Teil 3)

Symptomfreiheit oder Tragkraft?

Es lohnt sich, noch weiter zu fragen, wie Heilung eigentlich aussehen kann. Generell gilt schon bei Gebetsanliegen allgemein: Wir können gegen ein Hindernis beten, damit es verschwindet – oder wir können beten, dass wir selbst stärker als das Hindernis werden. In der Bibel ist das ein vielfach zu findendes Grundmuster: Gott beseitigt die Schwierigkeiten nicht, aber er aktiviert Gegenkräfte, sodass man standhalten kann.

Wenn es um Krankheit und Heilung geht, eröffnen sich auf diesem Hintergrund verschiedene Möglichkeiten. Einem Menschen kann es wieder gut gehen, wenn seine Krankheit mitsamt den Symptomen verschwunden ist. Es kann ihm aber auch dann gut gehen, wenn ihn die Krankheit nicht mehr beeinträchtigt. Die Symptome sind nicht schwächer geworden, die Tragkraft aber stärker.

Ich persönlich habe dies als Folge eines Heilungsgebets erlebt: Die beängstigenden Symptome haben sich nur ein wenig abgeschwächt, aber doch gerade so viel, dass ich gut mit ihnen leben kann und mein Befinden – bis auf Ausnahmesituationen – nicht mehr davon beeinträchtigt ist. Ich meine nicht, dass das Gebet nur halb erhört worden sei. Zugleich bin ich offen dafür, dass Gott es später auch noch auf andere Weise erhören kann, nämlich indem er mir meine Symptome nimmt.

Zwischen Glauben und Hoffen

Im Neuen Testament sind große Verheißungen an das Gebet des Glaubens geknüpft. Das bezieht sich auch speziell auf das Gebet für Kranke (Jak 5,15-18). Für unseren Glauben stellt Jesus uns nach meinem Empfinden große Herausforderungen und sehr große Herausforderungen.

  • Die große Herausforderung: „Und alles, was immer ihr im Gebet glaubend begehrt, werdet ihr empfangen“ (Mt 21,22).
  • Die sehr große Herausforderung: „Alles, um was ihr auch betet und bittet, glaubt, dass ihr es empfangen habt, und es wird euch zuteilwerden“ (Mk 11,24).

Der Unterschied: Nach dem einen Wort von Jesus müssen wir glauben, dass wir das Erbetene bekommen werden. Nach dem anderen Wort müssen wir glauben, dass wir es schon bekommen haben. Dieses Wort aus Markus 11,24 muss uns ein Ansporn sein zu glauben, dass Gott auf jeden Fall in dem Moment reagiert, in dem wir beten. Wir sollten es aber nicht absolut setzen. Denn im Neuen Testament finden wir viele glaubensvolle Gebete und Beter, die das Erbetene noch nicht sofort erkennbar bekommen haben, sondern noch darauf warten. Für das große Glaubenskapitel Hebräer 11 ist es geradezu ein Wesenszug des Glaubens, das man das Erhoffte jetzt noch nicht sieht und noch nicht hat. Deshalb sollten wir uns erlauben, glaubensvoll weiterzubeten, auch wenn wir von uns nicht bekennen können, wir hätten das bereits empfangen, worum wir gebetet haben.

Wir können noch eine dritte Variante des Glaubens, nach dem Jesus fragt, ergänzen: den Glauben daran, dass Jesus etwas tun kann. Wir finden ihn in den Berichten über die Heilung des Dieners eines Hauptmanns (Mt 8,5-10; der Hauptmann glaubt, dass Jesus Befehlsgewalt hat, also imstande ist zu heilen) und über die Heilung von zwei Blinden (Mt 9,28: „Glaubt ihr, dass ich dies tun kann?“). Auf diesem Hintergrund könnte man von Abstufungen der Glaubenserwartung sprechen:

Dass Jesus etwas tun kann, ist nach meinem Empfinden ist es leichter zu glauben, als dass Jesus etwas tun wird. Und zu glauben, dass er bereits etwas getan hat (obwohl ich es noch nicht merke), finde ich am schwierigsten. Allerdings entdecke ich in den neutestamentlichen Berichten nicht, dass Jesus hier einen Unterschied macht. Den beiden Blinden, die glauben, dass Jesus sie heilen kann, sagte Jesus: „Euch geschehe nach eurem Glauben“. Sinngemäß dasselbe sagt er kurz zuvor der Frau, die glaubt, dass sie geheilt werden wird (Mt 9,21). Ich gewinne den Eindruck: Es kommt vor allem darauf an, Jesus etwas zuzutrauen und zu erwarten, dass er reagiert. Den Glauben, dass Jesus dann sofort gehandelt hat, sollten wir dankbar ergreifen, wenn er uns geschenkt wird – aber die anderen Spielarten des Vertrauens sollten wir demgegenüber nicht verachten oder abwerten.

Jesus fordert unseren Glauben heraus. „Ich will, dass ihr glaubt“, lautet ein Kernsatz von ihm (Joh 11,15). Unser Glaube ist auf Wachstum angelegt. Dennoch gibt es auch ein Maß des Glaubens, das Gott jedem Einzelnen zuteilt (Röm 12,3). Was wir tun, muss in Übereinstimmung mit diesem Glauben stehen (Röm 12,6). Es wäre daher falsch, wenn wir uns selbst durch „zu große“ Gebetsanliegen überfordern – oder wenn andere uns damit überfordern. Beim Gebet für Kranke sollten wir keinen Glauben einfordern, sondern einfach auf Gottes Verheißungen hinweisen und sie stark machen.

Wenn wir vom Glauben sprechen, müssen wir verstehen, welchen Bezug er zur Hoffnung hat. Glauben rechnet fest damit, etwas zu bekommen, als hätten wir es schon, sagt Jesus. Hoffnung dagegen bezieht sich gerade auf etwas, das man noch nicht sieht und das sich noch nicht erfüllt hat (Röm 8,24). Von daher könnten man meinen, Hoffnung wäre schwächer als Glauben. Wenn wir nur hoffen, dass ein kranker Mensch nach unserem Gebet gesund werden, es aber nicht fest glauben, sieht es so aus, als wäre das unterhalb dessen, was Jesus über den Glauben sagt. Allerdings hat auch die Hoffnung schon eine große Veränderungskraft. Das sehe ich an zwei Stellen bei Paulus (die nicht von Krankheit und Heilung sprechen, aber etwas über Glauben und Hoffnung sagen):

  • Im Philemonbrief macht er Pläne für den Fall, dass er aus dem Gefängnis kommt. Er „hofft“ darauf, dass die Gebete der Gemeinde erhört werden (Phlm 22) – aber er geht nicht davon aus, dass er das schon empfangen hat (er sitzt ja noch im Gefängnis). Dennoch sollen die Beter aktiv werden, als stünde die Erhörung unmittelbar bevor: Sie sollen ein Gästezimmer für Paulus vorbereiten. Daran erkennen wir: Nicht nur der Glaube, sondern auch schon die Hoffnung kann zu Glaubensschritten motivieren. Auch die Hoffnung befähigt, Dinge zu tun, deren Voraussetzung man noch nicht sieht, von der man aber dennoch ausgeht.
  • Zu Beginn des Römerbriefs spricht Paulus über seine Reisepläne (Röm 1,9-15). Er will seiner Berufung folgen, das Evangelium auch in Rom auszubreiten. Deshalb betet er inständig darum, dass er dorthin reisen kann. Allerdings wurde er bisher immer daran gehindert. Er hat das Erbetene noch nicht empfangen. Ihm bleibt nichts, als darauf zu hoffen (obwohl das Wort „Hoffnung“ hier nicht fällt): „ob es mir wohl durch den Willen Gottes endlich einmal gelingen wird …“ (Röm 1,10). Dennoch betet er einfach unbeirrt weiter und zweifelt auch nicht daran, dass seine Reisepläne von Gott her in Ordnung sind. Auch dies ist ein Beispiel für geradliniges Gebet, auch wenn der Glauben noch keine Erfüllung sieht.

Wie gehe ich selbst damit um, dass Glauben einerseits heißt: davon ausgehen, dass man es empfangen hat – und man andererseits doch oft noch auf das Erbetene warten muss? Was bedeutet es für mich, eine Sache im Glauben zu ergreifen?

Ich glaube fest daran, dass bei Gott etwas passiert, wenn ich ihm im Glauben um etwas bitte, z. B. um Heilung. Von diesem Moment an liegt mein Anliegen bei Gott vor. Es ist ihm gegenwärtig. Das ist unabhängig davon, welche Erfahrungen ich „hier unten“ mache. Es kommt vor, dass Gebete sofort bei Gott erhört wurden – auch wenn die Erhörung noch nicht beim Beter angekommen ist. Dafür gibt es bewegende biblische Beispiele. Ich ergreife diese Erhörung also im Glauben – und mache dennoch keinen Druck. Weder mir als Beter noch der Person, für die ich bete. Ich verlange nicht, dass man so tun müsste, als sei man jetzt gesund, wenn die Symptome noch spürbar sind. Ich lade jedoch dazu ein, zu glauben, dass das Gebet bereits einen Unterschied gemacht hat.

Es ist, als ob mein Anliegen ein Werkstück wäre, das repariert oder überarbeitet werden muss. Ich halte es Gott im Gebet hin. Ich drehe und wende es vielleicht von allen Seiten, um Gott ausführlich zu zeigen, was ich gesehen habe und wo etwas nicht stimmt. Dann gebe ich es Gott ab und er nimmt es in seine Werkstatt. Ich weiß: Es ist jetzt in Arbeit. Wie lange es dort bleiben muss und wie lange es dauert, bis er mir es wieder zurückgibt, davon habe ich keine Ahnung. Was ich aber weiß: Gott hat es in seiner Werkstatt.

Das ist für mich persönlich die gesunde Relation von Glauben und Hoffen: Ich glaube, dass mein Gebet etwas ausgelöst hat. Und danach warte ich voller Hoffnung. Und je nachdem, was ich im Gebet von Gott höre oder welche Verheißung er mir in meinen Sinn schickt, kann ich auch schon Vorbereitungen treffen, um handlungsfähig zu sein – so wie Paulus die Gemeinde gebeten hat, schon mal ein Quartier für ihn vorzubereiten, als er noch im Gefängnis saß (Phlm 22).