Nichts ist zu hören außer dem gelegentlichen Knarren der Stühle. Und dem immer wiederkehrenden Gurren der Tauben draußen. Wir sitzen mit sieben, acht Leuten im Kreis. Und es passiert – nichts. Zumindest nichts äußerlich Wahrnehmbares. Eine Stunde lang Stille, nur ganz gelegentlich unterbrochen von einigen Wortmeldungen.
Kein Gesang, keine Predigt, keine Moderation
Ich nehme an einer Andacht der „Religiösen Gesellschaft der Freunde“ teil. Bekannter sind sie unter dem Namen „Quäker“. Die Gottesdienste bzw. Andachten bestehen aus nichts anderem als aus Stille. Kein Gesang, keine Predigt, keine Moderation. Wer sich innerlich bewegt oder gedrängt fühlt, ergreift das Wort. Alle können, niemand muss.
Mich beeindruckt diese Zeit der Stille. Es ist ein Unterschied, ob man allein dasitzt und schweigt – oder ob man es gemeinsam mit anderen Gottsuchern tut. In diesem Rahmen hat die Stille genau dies: einen Rahmen.
Es ist ein Unterschied, ob man allein dasitzt und schweigt – oder ob man es gemeinsam mit anderen Gottsuchern tut.
Ein Teilnehmer beginnt zu sprechen. Gestern habe er einen Radiobeitrag über das Musikstück 4’33’’ von John Cage gehört. Und er fühle sich durch unsere Andacht heute an dieses Stück erinnert.
John Cage und die Musik der Stille
Ich weiß, auf welches Stück er anspielt. John Cage hat diese Musik für beliebige Instrumentierung komponiert. Sie wird im Rahmen von Konzerten aufgeführt. Der Musiker setzt sich an sein Instrument oder das Ensemble tritt mit den Instrumenten auf, es kann auch ein Dirigent dabei sein, und dann spielen sie – nichts! Sie führen die Stille auf, vier Minuten und 33 Sekunden lang. Es ist ein intensives Hör-Erlebnis. Und ja, es ist Musik! Aber was „klingt“, ist die Stille. (Es gibt auf YouTube Einspielungen davon.) Und auch hier gilt: Es ist ein Unterschied, ob ich viereinhalb Minuten für mich herumsitze und schweige – oder ob ich diesen viereinhalb Minuten einen festen Rahmen gebe und die Stille zur Wirkung kommen lasse.
Ich nehme das aus der Andacht der „Freunde“ mit: Stille ist so kostbar, dass es angemessen ist, sie feierlich zu inszenieren. Ihr einen Rahmen zu geben. Ich werde überlegen, wie ich das für meine persönlichen Stille-Zeiten umsetzen kann.
Stille ist so kostbar, dass es angemessen ist, sie feierlich zu inszenieren.
Übrigens: Eine Reportage über die Art der „Quäker“, Stille-Andachten zu halten, wird im kommenden sela.Gebetsmagazin (das im Dezember herauskommt) erscheinen.