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Kurzes Gebet mit Langzeitwirkung

Manchmal beten wir um irgendeine Sache und Gott erhört das Gebet auch. Doch es kann vorkommen, dass Gott dabei noch weit mehr gibt, als wir erfragt haben, und weit mehr Menschen segnet als nur uns selbst. Diese Beobachtung ist eine große Ermutigung für uns als Beterinnen und Beter.

Ein Mensch aus der Bibel, der diese Gebetserfahrung gemacht hat, war Simson. Dieser kantige und ungezähmte Mann war nicht gerade ein großer Beter. Zwar werden zwei seiner Gebete sogar im Wortlaut überliefert – aber ansonsten spiegelt sein Leben nicht viel von einem betenden Umgang mit Gott wider. Und das, worum er bittet, ist stark auf seine eigenen Bedürfnisse fixiert. Und doch macht Gott aus seinem Gebet etwas Großes.

Simsons Durst

Einmal hat Simson seine Lieblingsfeinde, die Philister, wieder kräftig verprügelt. Er tat das in der Kraft von Gottes Geist, hat sich dabei aber als Mensch offenbar völlig verausgabt. Nun sitzt er irgendwo im Hügelland von Judäa und ist am Verdursten. Verzweifelt ruft er den Herrn an:

„Du hast deinem Diener diesen großen Sieg geschenkt. Und jetzt soll ich vor Durst sterben und in die Hände dieses unbeschnittenen Volkes fallen?“

(Richter 15,18)

Gott reagiert. In einer Höhle in der Nähe, bei einem Ort namens Lehi, bricht plötzlich eine Quelle auf. Simson ist gerettet, er trinkt sich satt und kann seiner Wege gehen. Doch diesen Ort wird er nie vergessen, er gibt ihm den Namen En-Hakore: „Quelle des Rufenden“. Der biblische Bericht vermerkt, dass diese Quelle „bis heute“ – also bis zur Abfassung des Richterbuches – dort zu finden war (Vers 19).

Für das Land Israel kann man die Bedeutung einer Quelle gar nicht überschätzen. Wasser ist ein extrem kostbares Gut. Die Quelle, die Simson „herbeigebetet“ hat, wurde noch Generationen nach ihm zur Ressource.

Alte Bibelauslegung mit Tiefgang

Der Bibelausleger Alfred Christlieb (1866–1934) hat sich in den biblischen Bericht über diese Quelle vertieft und herausgestellt, was da eigentlich passiert ist, als Simson betete. Er nennt sie den „Brunnen des Anrufers.“

Wäre bei Lehi kein Anrufer gewesen, die Gegend dort wäre vielleicht dürre und trocken geblieben bis heute. Wie wertvoll ist ein einziger Anrufer in einer öden, dürren Gegend, wo noch kein Leben ist! […] Wer kann die Segnungen ermessen, die von solchen Orten jahrzehntelang ausgehen, wo solch ein Anrufer gelebt hat und ein „Brunnen des Anrufers“ entstanden ist? Diese Gegend bei Lehi, die man früher mied, weil sie so trocken, so dürr, so langweilig war, die wurde jetzt von manchen aufgesucht. Warum? Es war ein Brunnen dort entstanden, ein Brunnen des Anrufers. Viele tranken jetzt dort, ohne die Not und das Anrufen des Simson durchgemacht und ausgekostet zu haben.

(Alfred Christlieb)

Die Sprache von Alfred Christlieb klingt heute altbacken. Aber was er beobachtet hat, verdient, dass man es festhält: Wo ein Beter sich an Gott wendet, entstehen manchmal Wirkungen, deren Ausmaße der Beter nie ahnen konnte. Gott stiftet Segen für unzählige Menschen, und manchmal ist es ein schlichter Beter, der diesen nachhaltigen Segen auslöst.

Die Veränderungskraft des Gebets

Das Gebet verändert den Beter. Simson kann das bestätigen: Sein lebensgefährlicher Durst wurde gestillt. Das Gebet kann die Lebensumstände des Beters verändern, es kann sein Umfeld beeinflussen, und der Beter kann ein Erbe hinterlassen, das wiederum andere Menschen zum Guten beeinflusst. Was Simson in Lehi zurückließ, war mehr als eine Quelle. Es war eine Quelle mit Namen. Dieser Name – „Quelle des Rufenden“ – erinnert an Gottes Tat, er erinnert an das erhörte Gebet. Wer später aus dieser Quelle trank, zu dem wird auch der Name der Quelle gesprochen haben. Manche derer, die Wasser schöpften, könnten an Gott gedacht und ihm gedankt haben. Dann hätte der Beter von damals noch weitere Beter, die nach ihm kamen, hervorgebracht. Auch das kann passieren, wenn man betet: Die Bewegung der Beter vervielfältigt sich.

Dr. Ulrich Wendel

Redakteur von Faszination Bibel und von sela. Das Gebetsmagazin